Vielfalt und Konsensfindung

Diesen hier beschrittenen Weg, viele unterschiedliche Menschen hören zu wollen, ohne vorab mehrere Filter einzubauen, begrüße ich sehr. Ich hoffe auch, dass sich dieser Weg aus späterer Sicht für die Initiatoren bzw. den Initiator Papst Franziskus gelohnt haben wird. Klar: es wird ein vielstimmiger Chor sein, bei dem nicht alles zusammenklingt, stattdessen werden unterschiedliche Motive zu hören sein, nebeneinander.

Ich finde es aus der Sicht des Leitungsdienstes in der Kirche wichtig, noch stärker die Neugier für die Vielstimmigkeit in der Kirche zu pflegen und ihr Zeit zu lassen, bis sich Harmonien neu zusammenfinden, insbesondere auch das Interesse für die Stimmen zu kultivieren, die nicht den eigenen Vorlieben entsprechen und darauf Vertrauen lernen, dass sich auch in ihnen der Geist Gottes inkarniert.
Zum Leitungsdienst auf dem Weg in eine synodale Kirche gehört für mich auch, immer wieder dazu einzuladen und zu inspirieren, dass sich die Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Glaubens- und Lebensstile begegnen und Unterschiede untereinander aushalten lernen, gleichzeitig aber die Neugier am geschwisterlich verbindenden im Fremden anderen zu pflegen. Wer immer mit dem Selbstbewusstsein auftritt und darin auch noch bestätigt wird, zu den besten Freunden des Papstes oder des Bischofs X zu gehören, der tut der Kirche keinen Gefallen.
In meiner Erziehung bin ich immer wieder herausgefordert worden, nicht im Rechthaben in meinen Positionen verhaftet zu bleiben oder zu verhärten, sondern mich dafür zu interessieren, wo die Anderen Recht haben könnten. Es war zwar anstrengender, aber es hat mich zu einem versöhnungsfähigeren Menschen gemacht, glaube ich. Und dafür bin ich heute dankbar.
Wenn man diese Haltung ernst nimmt, dann ist auch die Einsicht damit verbunden, dass man viele Fragen nicht mit einer einfachen Mehrheit entscheiden kann. Das muss aber nicht heißen, dass es besser ist, wenn einer sie alleine entscheidet. Vielmehr braucht es Wege, Gespräche zu vertiefen und Diskussionen zu verlangsamen, um vom Vordergründigen zum Hintergründigen zu kommen. Und es sind längere Phasen auszuhalten, in denen die Frage offen bleibt und erst einmal um das Verständnis der unterschiedlichen Positionen gerungen wird. In der Prozessarbeit nennt man das "tiefe Demokratie" und "Weltarbeit". Ich denke und möchte dafür werben: Davon können wir als Kirche uns auch anregen lassen.
Danke für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit